Embodiment

Kopfkino. Gedankenkarusell. Achterbahnfahrt.

All das kennst Du bestimmt – in Momenten, wo ein Film abläuft, ohne dass Du dafür ein Ticket gelöst hast. Auch mir ist das nicht unbekannt. Momente, in denen wir uns im Kreis drehen, eine Situation bis ins kleinste Detail zerlegen und durchdenken, um sie zu verstehen und begreifen – und meist kommen wir nicht weiter. Das Karusell dreht und dreht, Gedankenspiralen wiederholen sich, ungeachtet dessen, dass uns bereits schwindlig ist und wir die Orientierung verloren haben. Absturz in die Tiefe möglich oder die Landung im Nirvana. 

Vielleicht spüren wir in all dem sogar die körperlichen Zeichen. Vielleicht den Druck auf dem Herzen, vielleicht ein Unwohlsein im Bauch oder eine Traurigkeit im Körper… alles herausfordernde Emotionen und Körperzeichen, die wenig schön sind zu fühlen und lieber verdrängt oder ignoriert werden wollen. Vielleicht versuchen wir uns sogar, mit energievoller Musik in eine andere Stimmung, mit Affirmationen in eine positive Haltung oder mit viel Ablenkung uns ins „nicht Fühlen müssen“ zu bringen. Dabei spricht der Körper Wahres. 

 

Er ist mein zuhause und doch bin ich nicht da. Zumindest nicht wirklich anwesend, präsent in mir. Um wirklich wahrzunehmen, was ist, hineinzuhören in mein Innen, dem Körper zu lauschen und seine Zeichen ernst zu nehmen. Und mit all diesem zu sein. Embodiment. Raus aus dem Kopf, zurück in den Körper.

Foto: Marek Piwnicki

Embodiment, was ist das?

Embodiment kommt aus dem Englischen und bedeutet Verkörperung. Eine zentrale Annahme der Embodiment-Ansätze ist die Wechselwirkung des körperlichen und psychischen Geschehen. Jede Emotion, jede Kognition und jeder Affekt haben eine sensomotorische Komponente. Das heißt, dass Gefühle und Gedanken die Körperempfindungen prägen und anders rum.

 

 

Achtsamkeit spielt im Embodiment eine große Rolle. Achtsames wahrnehmen und Gewahr werden meiner Empfindungen führt zu einem wachen Körperbewusstsein. Indem ich meine eigenen Empfindungen und Bedürfnisse wahrnehme, bin ich präsent in meinem Körper. Ich spüre mich selbst in all meinen Zellen und mit all meinen Empfindungen und nehme das an, was ist. Was ich in diesem Moment empfinde und welches Bedürfnis sich zeigt. Und das schließt Unangenehmes und Herausforderndes nicht aus.

 

Durch dieses Präsent sein im Körper stärke ich die Beziehung zu mir selbst, komme „Heim zu mir“, auch wenn es vielleicht nicht ruhig und aufgeräumt sein mag, sondern gerade eher turbulent und chaotisch. Wenn es mir gelingt, mich in dieses Präsent sein hineinzuentspannen, also mit diesem Chaos weich zu werden, dann komme ich mir wirklich näher. 

Foto: Chris Ensey

VERKÖRPERT

Ein gutes Körperbewusstsein dient mir also bei der Selbstregulierung von Stress. Ich kann mich und meine Körperzeichen früh wahrnehmen, bemerken, dass mich etwas in Unruhe versetzt oder mir Druck macht und mich meinem Körper und seinen Zeichen zuwenden.

Über die bewusste Wahrnehmung und Veränderung der Körperhaltung und Mimik kann ich meine Stimmung beeinflussen. So mag es mir mit einer aufrechten Körperhaltung leichter gelingen, fröhlich zu sein, als in einer gebeugten Haltung. Wir verkörpern unsere Gefühle und können über unsere Körperhaltung unser Wohlbefinden steigern. 

Allerdings hat das aus meiner Sicht deutliche Grenzen und es ist wiederum Achtsamkeit gefragt, um sich nicht manipulativ selbst zu übergehen und am echtem Embodiment vorbeizulaufen. 

Dis-Embodiment

Es gibt Ansätze, die Embodiment be-nutzen, um bestimmte Ziele zu erreichen. D.h. über den Verstand wird versucht, etwas im Körper zu verändern und so die Realität zu faken.

Einfaches Beispiel dafür ist die „Übung“: Kopf hoch! wenn es Dir schlecht geht, weil Du vielleicht gerade eine Trennung hinter Dir hast oder eine Enttäuschung verarbeitest. Das ist aus meiner Sicht vielleicht ein gut gemeinter Hinweis, aber kein echtes Embodiment. Dieses setzt für mich am Körper an und kann nicht kopfgesteuert stattfinden. 

 

Wenn die Übungen zum Embodiment mit einer Absicht bzw. auf ein Ziel ausgerichtet werden, wenn wir faken, kann das die Verbindung zu uns selbst sogar noch ein Stückchen mehr unterbrechen. Dis-Embodiment ist dann das Ergebnis.

In Momenten, in denen die Traurigkeit oder andere Emotionen nur an der Oberfläche berühren mögen, mag die oben erwähnte Übung eine Hilfe sein, – sich selbst bewusst aufzurichten, den Blick zu heben und damit auch die Stimmung. Aber wenn ich in der Tiefe traurig, enttäuscht oder verletzt bin, hilft es mir überhaupt nicht, diese Übung anzuwenden. Mein wahres Empfinden nehme ich dadurch nicht wirklich ernst. Ich trenne mich von meinem Gefühl, manipuliere mich selbst und nehme mir den Raum, mir wirklich näher zu kommen. 

Die Grenze ist hier achtsam und bewusst zu betrachten.

EINS SEIN

 

Übungen zum echten Embodiment sind aus meiner Sicht nicht zielorientiert. Vielmehr orientieren sie sich am Prozess und helfen mir dabei, die Beziehung zu mir zu stärken und mich neugierig in meinen Bedürfnissen und Empfindungen kennenzulernen. Ich gebe dem Raum, was da ist. Und entsprechend dieses Gefühls drücke ich mich über meinen Körper aus. Tanze die Wut heraus, so wie die Wut sich zeigen mag. Bewege meinen Körper auf die Art und Weise wie er mich mit und in dieser Emotion führt und nicht wie ich denke, dass sie auszuführen ist. Wippe, schwinge, töne oder schüttle wie es die tiefere Weisheit des Körpers „verlangt“, damit sich etwas Ausdruck verschaffen und dadurch entspannen kann. Der Körper führt und ich folge. Egal wie lange es geht, wie oft es wiederholt werden muss und wie es oder ich dabei aussehen mag.

 

So kann sich mein Nervensystem entspannen und ich voll in meinem Körper präsent sein. 

Gedanken, Gefühle und Handlungen sind dann in Kohärenz miteinander. Ich bin eins mit mir. 

Großes Beitragsbild: Romina Farias