26 Nov Slow down!
Erst kürzlich hat mir das Leben wieder einmal eine wundervolle neue Facette geschenkt.
Ich habe eine neue Bekanntschaft gemacht und die Langsamkeit neu kennengelernt.
Mit der Langsamkeit hatte ich nicht dieses Rendez-Vous: Liebe auf den ersten Blick. Auch nicht auf den zweiten.
Zur Langsamkeit hatte ich mich nie wirklich hingezogen gefühlt. Sie war für mich nicht attraktiv. Nicht anziehend. Eher wollte ich stets Abstand nehmen.
Ich hatte mich für eine andere Verbindung entschieden. Schnelligkeit. Schnell zu sein und schnell zu funktionieren war mir vertraut. Diese Verbindung kannte ich gut. Zu Gut. So gut, dass ich diese Beziehung nie in Frage gestellt habe und das Programm selbstständig und automatisiert in mir ablief.
Bis ich irgendwann so über meine schnellen Beine und Füße stolperte, dass ich wohl aus dem Programm gerissen wurde. Und das nicht von ganz allein. Da war auch noch jemand, der von Außen das Marmeladenglas, in dem ich saß, bzw. rannte, betrachtet hatte und mir einen kleinen, jedoch sehr genauen Hinweis gab, was von Außen auf meinem Etikett zu lesen war und augenscheinlich ganz offensichtlich.
„In Deiner Schnelligkeit verpasst Du den Moment.“
Ich hielt erst einmal an, um zu be-greifen. Und ja, irgendwas war dran, an diesem Satz. Auch wenn ich es erst nicht so wirklich glauben wollte. Aber mein Verstand warf mir in diesem Moment schon ein paar Gedanken vor die nun stehenden Füße.
Wenn ich schnell bin, funktioniere und abspule – wo bleibt da meine Wahrnehmung in diesen Momenten? – Auf der Strecke.
Wenn ich unmittelbar reagiere – welche Auswirkungen hat dies auf mein Verhalten und damit mein Umfeld? – So manches Mal nicht wirklich schöne.
Wenn ich schnell von einem zum nächsten jage – wie lange kann sich da Freude halten? – Nur Bruchteile von Sekunden oder Momenten. Sie weht wie der Wind durch die Bäume und ist weg.
Um Verhalten zu ändern, müssen wir uns mit unseren Glaubenssätzen beschäftigen. Glaubenssätze sind der Ausdruck innerer Modelle, die jemand fortlaufend entwirft bzw. andauernd entwerfen muss, um sich in der Welt zu orientieren.
Es gibt verschiedene Veränderungstechniken für Glaubenssätze. Sie auch nur ansatzweise aufzuführen, würde an dieser Stelle den Rahmen weit sprengen. Ich werde eine Methode vorstellen, die mir geholfen hat, meinen Glaubenssatz – also meine innere Überzeugung – so zu verändern, dass daraus für mich ein positiver Glaubenssatz geworden ist.
Mit welchem Glaubenssatz habe ich Langsamkeit in Verbindung gebracht?
Welchen Wert habe ich Langsamkeit beigemessen, der dazu geführt hat, mich ihrer nicht anzunähern?
Langsamkeit hatte für mich keinen wirklichen Wert. Langsamkeit war für mich gleichbedeutend mit „nicht gut zu sein“, „nicht schnell genug zu sein“, zu verlieren. Zweite zu werden. Ja, ich komme aus dem Leistungssport und einer sehr leistungsorientierten Familie.
Und Langsamkeit bedeutete für mich auch, sich selbst zu viel Zeit einzuräumen. Zu viel Raum zu beanspruchen und gleichzeitig nicht zu funktionieren.
Wow.
Deshalb hatte ich lange Zeit zu Yoga und Meditation auch keinen Zugang, da man dort ja langsam ist und nicht „vorankommt“.
Es hilft mir nicht, mich darüber zu grämen, dass das so war. Vielmehr hilft es mir, wenn ich die Energie der Erkenntnis dafür nutze, mich der Langsamkeit voll und ganz zu öffnen. Sie endlich anzunehmen und ihren Wert zu erkennen.
Glaubenssätze liegen unter der Identitätsebene (vgl. neurologische Ebenen nach der DILTS-Pyramide).
Will ich auf der Glaubensebene etwas in Veränderung bringen, muss ich in der Regel auf der nächst höheren Ebene ansetzen – in diesem Fall der Identitätsebene (Selbst-Bild, Ich bin… ). Mit der Identität unterscheiden wir, wer wir sind, was wir sind, was zu uns dazugehört und was nicht.
Mein Ritual
Und so ist es mir zum Ritual geworden, morgens eine Runde über die Felder zu streifen, barfuß und ohne Ablenkung.
Und RICHTIG LANGSAM zu gehen. Mich meinem angewöhnten schnellen oder zumindest zügigem Tempo bewusst zu widersetzen und mich für eine sehr langsame Geschwindigkeit zu entscheiden.
Das war und ist hin und wieder immer noch herausfordernd für mich, wenn ich merke, dass alte Muster wieder greifen wollen und sich melden, um zu sagen: „Hey ich bin auch noch da“. Und dann antworte ich: „Ja, ich sehe Dich und nehme Dich gerade wahr, aber ich möchte Dir dennoch nicht folgen. Mein Tempo ist nun ein anderes, aber danke, dass Du mich an mein früheres Eilen erinnert hast.“
Mehr und mehr gelingt es mir, mich in meiner Langsamkeit wahrzunehmen und – zu genießen!
Wow. Was für ein schönes Gefühl es ist, langsam zu sein.
Ich bin viel achtsamer, wenn ich langsam bin.
Ich nehme viel mehr wahr, wenn ich langsam bin.
Ich wertschätze den Moment intensiver und ich wertschätze mich intensiver, wenn ich langsam bin.
Und mit der Zeit nehme ich wahr, dass Zeit bei dieser Runde keine Rolle mehr spielt. Ich habe auch keine Uhr dabei (früher wäre ein Impuls gewesen, zu rechnen, wie viel Zeit ich nun gerade („mit Nichtstun“) verliere und wie ich diese „verlorene“ Zeit nachher direkt wieder aufholen kann. Und wahrscheinlich wäre diesen Gedanken ein Gefühl des Ärgers und der Unzufriedenheit gefolgt.
„Ich tue ja gerade nichts und bin deshalb nicht gut (genug). (Klare Zuordnung zur Identitätsebene. Anm. d. Red. :-))
Ich habe ja noch so viel zu erledigen, aufzuholen, zu tun.“
Und ich hätte den Moment und auch mich selbst abgewertet und hinterher in doppeltem Tempo alles wieder aufgeholt. Unter Anspannung und Stress. Und mit der unterschwelligen Unzufriedenheit in mir.
Hat mir das gut getan? Nein!
The work – byron katie
Was für eine neue Qualität ich erkennen darf! Dass ich nicht mehr rechne, wieviele Minuten ich nun verloren habe. Sondern jeden Moment genieße, die Runde ihre Zeit, die sie braucht, auch brauchen darf und ich beim Gehen nicht im „später“ bin, sondern im Jetzt.
Was mir dabei geholfen hat, ist „The work“ von Byron Katie – eine Fragemethode und ihre Umkehrtechnik, die bei der Bearbeitung negativer Glaubenssätze zu neuen Ansätzen führt.
Bei dieser Technik hältst Du Dir somit selbst den Spiegel vor, um in Selbstreflexion die eigenen Glaubenssätze, die Stress auslösen, zu hinterfragen und umzukehren.
Die vier Fragen lauten:
1. Ist das wahr?
2. Kannst Du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
3. Wie reagierst Du, was passiert, wenn Du diesen Gedanken glaubst?
4. Wer wärst Du ohne den Gedanken?
Du kannst es mit einem Problem oder einem Glaubenssatz für Dich durcharbeiten. Sei ehrlich und genau und setze Dich damit in der Tiefe auseinander. Der Glaubenssatz zum Thema Langsamkeit lautete für mich: Wenn ich langsam bin, bin ich nicht gut (genug).
Oder auch: Ich verliere, wenn ich langsam bin.
Was auch immer es ist. Nimm jetzt einen Glaubenssatz, der für Dich passt und den Du bearbeiten möchtest.
1. Ist das wahr? – Wenn Du die Augen schließt, still wirst und auf Dein Gefühl achtest, weißt Du die Antwort.
2. Kannst Du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? – Prüfe auch hier noch einmal ganz ehrlich.
3. Wie reagierst Du, was passiert, wenn Du diesen Gedanken glaubst? – Wirst Du wütend, aggressiv oder machst Du Dich klein? Bringt der Gedanke Stress oder Frieden? Wie verhältst Du Dich? Höre auch da in Dich hinein.
4. Wer wärst Du ohne den Gedanken? – Schließe auch hier die Augen und fühle. Wie würdest Du Dich ohne diesen Gedanken verhalten?
Nun kehrst Du Deinen Gedanken um. Finde mindestens drei Umkehrungen, die Deinem Gedanken eine andere Sichtweise verleihen.
Der Gedanke „Ich verliere, wenn ich langsam bin“ wird umgekehrt zu:
„Ich gewinne, wenn ich langsam bin.“
„Ich verliere nichts, wenn ich langsam bin.“
„Ich verliere, wenn ich schnell bin.“
Es ist wichtig, dass Du Dir erlaubst, die Umkehrungen voll und ganz zu erfahren.
Wenn Du bei einem Gedanken noch Widerstand spürst, bist Du mit Deiner Arbeit nicht fertig. Finde mindestens drei konkrete, echte Beispiele aus Deinem Leben, in denen die Umkehrung wahr ist. Es geht darum, Möglichkeiten zu entdecken, die Dir Frieden bringen. Die Fragestellungen sind dafür wertvolle Denkansätze.
und Erst kürzlich
hat mich in meiner Langsamkeit sogar eine Schnecke überholt… zumindest kreuzte sie meinen Weg und ich musste kurz anhalten, um nicht barfuß auf sie zu treten. Das wäre für beide Seiten keine schöne Erfahrung gewesen.
Zum Glück bin ich ja langsam, so konnte ich achtsam reagieren..:-)
Großes Beitragsbild: Ralph Kayden